AllgemeinGalerie

„jetzt red i“ in Rohrdorf: Der Bedarf muss noch nachgewiesen werden

Schon bei ihrem Eintreffen im Rohrdorfer Turner Hölzl wurden die Teilnehmer an der BR-Sendung „jetzt red i“ draußen von hupenden Traktoren und Warnwesten tragenden Gegnern einer Neubautrasse empfangen unter dem Lärm ihrer Trillerpfeifen, der während der Veranstaltung anhielt und auch drinnen zeitweise zu hören war. Das Bürgerforum Inntal war mit seinem neuen Infowagen, der nicht zuletzt auch anwesenden Polizeibeamten Zuflucht vor dem strömenden Regen bot, vor Ort.
Unter der Moderation von Tilman Schöberl entwickelte sich eine kontroverse Debatte über die Notwendigkeit einer Neubautrasse. Schon im Einspieler wurde der enorme Flächenverbrauch deutlich, der einige Landwirte in Existenznot bringt. Der Bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter verwies auf den Koalitionsvertrag, nach dem der Bedarf erst noch nachzuweisen ist.

Wir als Bayerische Staatsregierung haben eine ganz klare Position, das steht auch im Koalitionsvertrag, dass natürlich zuerst einmal der Bedarf nachgewiesen werden muss.

Christian Bernreiter, Bayerischer Verkehrsminister

Der anwesende bayerische Bahnchef Josel sieht den Bedarf allein durch den aktuellen Bedarfsplan als gegeben an. Auch einige der anwesenden Bürgermeister betrachten den Bedarf als belegt, fordern aber wie der Landrat Otto Lederer noch mehr Untertunnelung. Zusätzlicher Lärmschutz an der Bestandsstrecke scheitert laut Josel an den gesetzlichen Grundlagen. Bernreiter machte deutlich, unter welchem Druck die Politik von Seiten der Spediteure und vom benachbarten Tirol steht, schob aber die Verantwortung nach Berlin ab. Die Europa-Parlamentarierin Maria Noichl stellte die Frage, warum es eine Hochgeschwindigkeitstrasse brauche, wenn es doch primär um die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene gehe. Die EU-Anforderungen seien hier eindeutig.

Wenn das Thema Verlagerung von Gütern auf die Schiene im Zentrum steht, für was brauche ich dann eine Hochgeschwindigkeitstrasse? Europa hat keine Hochgeschwindigkeitstrasse bestellt. Es steht in den letzten Papieren explizit: 160 km/h für den Personen- und 100 km/h für den Güterverkehr.

Maria Noichl, Mitglied des Europäischen Parlaments

Die EU fordere im Gegensatz zum Bund keine Neubaustrecke, auch stehe der Zeitgewinn von 7-10 Minuten in keiner vernünftigen Relation zu den verursachten Schäden. Sie verwies auch auf die Umwegeverkehre, verursacht durch die zu billige Brennermaut. Der Rohrdorfer Bürgermeister zitierte aus einem Sonderbericht des Bundesrechnungshofs, nach dem sich die Deutsche Bahn aufgrund ihrer Schulden zu einem Fass ohne Boden entwickelt. Aus dem Teilnehmerkreis kamen weitere Argumente gegen eine Neubautrasse: Das wirkliche Nadelöhr sei der italienische Südzulauf mit ca. 80 km ohne jede Planung, die Geldverschwendung untragbar und der klimaschädliche baubedingte CO2-Ausstoß laut dem Informatiker Roland Feindor niemals zu amortisieren. Der anwesende Logistik-Experte Fischer wollte es der Politik überlassen, inwieweit die Güter auf die Schiene sollen.
Gerhard H. Müller, der als Bahnplaner und Leiter von Großprojekten schon vor Jahren ein Konzept für den sich abzeichnenden Brennermehrverkehr entwickelte, zeigte sich überzeugt, dass dieser auch in Zukunft auf der Bestandsstrecke abgewickelt werden kann.

Ich bin überzeugt, dass 400 Züge auf einer zweigleisigen Strecke bis Rosenheim fahrbar sind.

Gerhard Müller, 40 Jahre lang Bahnplaner der DB

Gegen Ende der Diskussion erntete Bahnchef Josel spöttisches Gelächter, als er darauf verwies, dass die Bürger im Dialogverfahren mitwirken, aber keinesfalls mitbestimmen dürften. Zum Schluss wurde noch das verlorene Vertrauen in die Deutsche Bahn, von einem Tiroler Gast auch in die ÖBB, thematisiert.


Hier ansehen: BR-Sendung „jetzt red i“ Ärger ohne Ende – Wie geht es weiter mit der Brenner-Bahntrasse?