BrennernordzulaufVerkehrspolitik

Güterverkehr, Nachhaltigkeit und Brenner-Nordzulauf

Güterverkehr, Nachhaltigkeit und Brenner-Nordzulauf
Verkehr ist für fast 30 Prozent der CO2-Emissionen in Europa verantwortlich. Der Güterverkehr wächst doppelt so schnell wie die Wirtschaftsleistung. Warum ist das so?
Güterverkehr fällt nicht vom Himmel. Er wird von uns, der Gesellschaft, erzeugt. Güterverkehr ist kein Gut an sich, dessen Vermehrung immer mehr Nutzen bringt vielmehr ist Güterverkehr nur ein Mittel, um den Wirtschaftsprozess durch Arbeitsteilung und Spezialisierung zu optimieren. Es ist immer zu hinterfragen, ob mehr Verkehr auch mehr Nutzen bedeutet.

Güterverkehr verursacht Kosten, die nur dadurch zu rechtfertigen sind, dass sein Nutzen größer als seine Kosten ist. So selbstverständlich das erscheint, liegen doch genau hier drei Probleme:

  1. Kosten der Verkehrsinfrastruktur
    Güterverkehr setzt umfangreiche und kostspielige Infrastrukturen voraus, die bei der Abwägung von Nutzen und Kosten durch die Unternehmen keine Berücksichtigung finden. Denn Straßen, Schienen, Flughäfen, Wasserwege, Häfen usw. werden meistens mit Steuermitteln bereitgestellt oder gefördert, ohne dass dafür (ausreichende) Entgelte oder Gebühren erhoben werden. Unternehmen vergleichen ihre Kosten und ihre Erträge, lassen aber die öffentlichen Kosten außer Acht. So wird mehr Güterverkehr erzeugt als seinem gesamtgesellschaftlichen Nutzen entspricht.
  2. Umweltbelastung (Externe Kosten)
    Außerdem verursacht Güterverkehr umfangreiche nicht-monetäre Kosten, die in die Abwägung von Kosten und Nutzen ebenfalls nicht eingehen. Unternehmen und Kunden rechnen nur mit den Kosten, die sie zu tragen haben. Niemand kommt aber für die so genannten externen Kosten auf: Lärm, schlechte Luft, Flächen-, Landschafts-
    und Naturverbrauch, Erschöpfung von Ressourcen, Klimaschädigung usw. Diese Kosten werden auf Dritte und auf künftige Generationen abgewälzt, ohne sie dafür zu entschädigen. In den Abwägungsprozess der Unternehmen zwischen Kosten und Erträgen gehen sie nicht ein, so dass die Gesamtkosten des Güterverkehrs ihre wirtschaftlichen Erträge übersteigen. Aus der gesellschaftlichen Perspektive
    entsteht so zu viel Güterverkehr.
  3. Aus einer an Nachhaltigkeit orientierten Perspektive geben Preise auf den Weltmärkten oftmals falsche Signale. Für Unternehmen ist es sinnvoll, Preisunterschiede zu nutzen und Produktionsketten über den gesamten Globus zu verteilen. Oftmals wird dadurch jedoch nur zusätzlicher Verkehr verursacht. Denn bei gleichen Produktionsverfahren werden überall ähnlich viel Arbeitsstunden, Produktionsanlagen und Ressourcen eingesetzt. Die Ausbreitung der Wertschöpfungskette über die ganze Erde erzeugt zusätzlichen Güterverkehr. Die Vorteile für die Unternehmen (Billiglöhne, niedrige Grundstückspreise, Steuern, Subventionen usw.) sind monetärer Art. Die Belastung der Umwelt durch zusätzlichen Güterverkehr ist aber real und bleibt trotzdem unberücksichtigt.

Somit haben wir es häufig mit Güterverkehr zu tun, dessen Kosten höher sind als sein Nutzen .
Eine Überlastung von Verkehrsinfrastruktur darf unter diesen Voraussetzungen nicht reflexhaft dazu führen, die Infrastruktur weiter auszubauen, auch nicht für den wohl umweltverträglichsten Verkehrsträger Schiene. Vielmehr ist sorgfältig zu prüfen, ob damit
nicht noch mehr überflüssigem und schädlichem Güterverkehr Vorschub geleistet wird. Wenn man den Verkehrsträger Schiene stärken will, darf man die Schwächen der Bahn nicht primär in fehlenden Schienen-Kapazitäten suchen.

Nach einer Studie im Auftrag der DB ist der Nutzen einer zusätzlichen Schienentrasse zum Brenner geringer als seine voraussichtlichen Kosten (nur 80%). Bis heute kann der Bedarf einer zusätzlichen Trasse nicht nachgewiesen werden. BM Scheuer hat mit Sze narien gezeigt, dass eine zusätzliche Trasse nur dann notwendig wird, wenn
– der Güterverkehr weiterhin doppelt so schnell wie die Wirtschaft wächst,
Güterverkehr noch stärker als bisher auf die Brenner-Route konzentriert wird,
Österreich seinen Binnen-Schienengüterverkehr über das so genannte deutsche Eck weiter erhöht und
Seeverkehrsfracht aus Asien in Italien auf die Schiene verladen und über den Brenner und durch das enge Inntal nach Mittel- und Nordeuropa transportiert wird.
Er hat nichts darüber gesagt, ob all das unter Nachhaltigkeitsgesichts-punkten sinnvoll erscheint. Und er bleibt auch die Erklärung schuldig, warum Güterverkehr auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke abgewickelt werden soll.

Die Jugend und künftige Generationen werden den Klimawandel nicht deshalb gutheißen, weil heute der Teddybär und das Smartphone „billiger“ aus China kommen!
Rosenheim, 11.12.202